Unsitte in Lokalen

No-Show-Gebühren in Restaurants: Kein Wunder - Gäste nehmen sich zu viel heraus

Roland Englisch

Nürnberger Nachrichten

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4.5.2024, 21:48 Uhr
Spargel ist ein teures Gemüse, die Wirte kalkulieren deshalb genau. Umso bitterer für sie, wenn Gäste reservieren und dann nicht erscheinen.

© Julian Stratenschulte/dpa Spargel ist ein teures Gemüse, die Wirte kalkulieren deshalb genau. Umso bitterer für sie, wenn Gäste reservieren und dann nicht erscheinen.

Es ist eine Unsitte, und sie hat Folgen für alle. Menschen reservieren in Lokalen oder Hotels. Die verzichten auf eine Anzahlung - der Kunde soll ja König sein und sich wohlfühlen. Sagen König und Königin dann kurzfristig ab oder erscheinen gar nicht, haben Wirte und Hoteliers das Nachsehen.

No-Show-Gebühren in Restaurants aus Notwehr

Die einen bestehen deshalb auf Vorkasse im Hotel, die anderen führen sogenannte No-Show-Gebühren ein. Wer den reservierten Tisch nicht beansprucht, muss eine vorher festgelegte Gebühr bezahlen. Und die kann in den Top-Restaurants schon mal über dem liegen, was das Menü gekostet hätte. Beides ist lästig und nicht gerade stimmungsfördernd.

Doch die Küchenchefs müssen hart kalkulieren. Jeder Gast, der nicht erscheint, gefährdet ihr Geschäft und verursacht unnötige Kosten. Gerade in den größeren Städten greift dieses Wegbleiben stetig um sich. Dabei wäre die Absage ein Zeichen auch des Respekts.

Einst Verbindliches wird heute als unverbindlich betrachtet

Die Probleme der Wirte und Hoteliers sind nur ein Symptom für einen tiefgreifenden Wandel. Etwas verschiebt sich in unserer Gesellschaft: Es ist eine Art Wegwerfmentalität entstanden, die einst Verbindliches als unverbindlich betrachtet, in vielen Bereichen. Vor allem jüngere Menschen sehen Verabredungen heute als Absichtserklärung mit begrenzter Aussagekraft. Wer Kinder hat, hat das sicher erlebt: Das Leben besteht für sie aus Optionen, die zu haben gut ist, zwischen denen sie sich aber erst im letzten Moment entscheiden.

Zu erforschen, wie es dazu kommen konnte, ist eine spannende Aufgabe für Soziologen. Vielleicht haben auch die Versandhändler eine Antwort darauf. Auch sie haben zu einem generationenübergreifenden Mentalitätswandel beigetragen, unter dem sie heute selbst leiden.

Früher sind die Menschen in einen Laden gegangen, haben sich beraten lassen oder bei Kleidung gezielt zwei, drei Sachen ausgesucht und sie anprobiert. Heute bestellen sie wahllos im Internet und lassen sich kistenweise Teile nach Hause liefern. Am Ende kaufen sie ein oder zwei Stück aus dem guten Dutzend, wenn überhaupt. Die Masse geht zurück.

Gedankenlos durch die Welt: Eine neue Form des Egoismus

Weil die Retouren nichts kosten und das zum Geschäftsmodell der Internethändler gehört, müssen sich die Abnehmer keine Gedanken machen über Nachhaltigkeit, über sinnlose Bestellungen, über die Verbindlichkeit ihrer Aktionen. So etwas schleicht sich in die Köpfe und dann ins Leben.

Es setzt sich fort in Beziehungen, deren Status über Monate ungeklärt bleibt bis zum "Gespräch", in dem jüngere Menschen das dann irgendwann festzurren. Und es schwappt hinein in alle Bereiche des alltäglichen Lebens, auch bis zu den Restaurants und den Hotels.

Wir erleben eine neue Form des Egoismus, denn umgekehrt erwarten die Menschen ganz selbstverständlich, dass die Gegenseite ihre Leistung erbringt, wenn sie sie doch in Anspruch nehmen wollen. Dabei gehört zu einer funktionierenden Gesellschaft beides: Respekt und Rücksichtnahme. Zeit für eine Rückbesinnung also.

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